AUSWAHL AUS PRESSEBERICHTEN zum Hundertwasser-Haus (Originalmiturheber em. o. Univ.-Prof. Arch. DI Josef Krawina)

Der Mann ist gefährlich

…Ich behaupte, daß dieser hervorragende Maler,…als Erneuerer der Architektur eine schwache Nummer ist!…
…Die Modelle Hundertwassers durchmusternd, meine ich, daß es eine Zumutung für den Städter, für ein Asphaltkind aus Überzeugung ist, mit den Hühnern im Haar und mit der Kuh auf du und du zu leben. Ich will mich nicht selbst versorgen! Ich möchte nicht auf Schritt und Tritt von der Natur belästigt werden! Ich will zu meinem Kino-Krimi sausen, mitten durch den Straßenlärm und den Benzingestank (der sich vielleicht ermäßigen ließe!) hindurch…
…Zu einer Revue, welcher erniedrigenderweise nun die Hundertwasser Almhüttenschau benachbart worden ist? Keine Kompromisse bitte! Ich möchte mich auch nicht im Bauernjanker – und Schafe blöd blökend hörend – auf Wiesen tummeln, die auf Piloten etagenartig übereinander angebracht sind, mit den Wohnungen darunterhängend…
…Laßt euch nicht verführen durch dieses modern aufgeputzte, die Stadt aber immer noch wehleidig fliehende Spießer- und Schäferideal, durch ein in keiner Weise zu uns passendes Projekt, das, wenn verwirklicht, vom Gartenzwerg um ein sündteures Geld regiert werden würde!
Johann Muschik
(Kurier, 10. 3. 1972)

Die hängenden Gärten des Friedensreich

…Stärkste Hemmnis gegen diese Zukunftseuphorie: Hundertwassers Gemeindebauwunder wird ein gutes Stück teuerer sein, als die vorgeschriebenen Mittel erlauben…
…Hundertwasser selbst verzichtet vorsorglich von vornhinein auf ein Honorar…
(Kurier, 20. 1. 1980)

Der Fassaden-Guru
Das Recht des längeren Arms

…Ob Baum oder nicht Baum, Kühe auf dem Dach oder Lämmer im Hof, das ist hier längst nicht mehr die Frage, vielmehr: ob es auf die Dauer angeht, daß immer wieder ein Mann als Problemlöser angeboten wird, der, gleichsam mit dem Künstlerbonus ausgestattet, als Naturapostel auftritt, als Missionar des Städtebaus und Vereinfacher komplizierter Zusammenhänge, ein Mann, der sich aber keinen Deut darum schert, wo die wahren Probleme liegen…
…Hundertwasser hat sich… – mit sicherem Instinkt dafür, wo neuer Zündstoff zu finden ist…zum Heilsbringer der Stadtgestaltung stilisiert, der – wie auch anders? – Apokalypsen beschwörend, den Schritt zurück predigt, ein Idyll der Einfachheit an die Wand malt, das nur ein Idyll derer sein kann, die sich’s leisten können…
…Aber im „Club 2“ haben sie nichts Besseres zu tun, als ihn sein Fensterrecht propagieren zu lassen, das selbstverständlich dann auch ein Recht des längeren Armes wäre, und ein Unrecht allen Umwohnern gegenüber, die sich vielleicht durch den Anblick belästigt fühlen. Man darf nun immerhin gespannt sein: Wird der Meister so man ihn ruft, auch kommen?
Wenn es bisher ernst wurde…hat er sich meistens nur auf ein paar Anregungen beschränkt.
Harald Sterk
(AZ, 10. 7. 1980)

Rückwärtsgewandte Utopien

…ich habe Hundertwasser nie als Feind betrachtet, sehr wohl aber als eine interessante, wenngleich sehr zwiespältige Erscheinung des Kulturbetriebs, deren, gelinde gesagt, rückwärtsgewandte Utopien eindeutig, scharfe Stellungnahmen herausfordern…
Harald Sterk
(AZ, 19. 7. 1980)

Neuschwanstein für Gemeindemieter

…Im knallbunten Hemd präsentierte er ein knallbuntes Knusperhäuschen, „eine Oase für Menschlichkeit und die Natur“…
…Zunächst erwies sich die Architektenbeteiligung vor allem als bürokratisch von Vorteil, als nämlich die Ingenieurskammer bei Planungsstadtrat Rudolf Wurzer gegen die Betrauung des Architektenbeschimpfers Hundertwasser – „diese feigen Hampelmänner ihrer skrupellosen Auftraggeber“ – mit einem Planungsauftrag protestierte, konnte darauf verwiesen werden, daß der Maler bunter Spiralenhäuser nur Konsulent unter der Bauleitung Krawinas war…
…hatte sich der Maler längst auf ein Neuschwanstein für Konsumbürger eingebremst: Lauter verschieden große Fenster, Zwiebeltürme und Söller und eine mit Kringeln, Tropfen und Tupfen bepinselte Fassade. Für mehr reichte Hundertwassers Arbeitseinsatz gar nicht…
…Solche „Publicity-Architektur“ (ein Wiener Architekt) weiß der public-relations-bewußte Maler freilich optimal an die „Wohntrottel“* (Hundertwasser über die Bewohnter von „Scheißgegenden“) zu bringen. Ausführlich wurde am 30. September in einem Beitrag der FS-2-Sendung „Zehn vor Zehn“ der inzwischen weltberühmte Wiener Gemeindebau der Zwischenkriegszeit als Zeuge für Hundertwassers Grottenbahnfassaden angeführt…
Horst Christoph
(Profil Nr. 41, 6. 10. 1980)
* Anmerkung der Redaktion: Beide Ausdrücke hat Hundertwasser nie verwendet…

Bauvorschriften ändern

…Der große Vorteil des Vorhabens, sagte Bürgermeister Gratz, liege darin, daß statt der zahlreichen theoretischen Überlegungen zur Hebung der Lebensqualität sich hier endlich eine konkrete Idee anbiete, die man verwirklichen kann. Auch die Technik werde nicht wie so oft bei alternativen Betrachtungsweisen verteufelt, sondern nutzbar gemacht…
…Auch baupolizeiliche Gesetze könnten noch etwas am Aussehen des Hauses ändern. Sollte sich aber letztlich herausstellen, daß die bestehenden Bauvorschriften die Entwicklung einer menschlichen Architektur verhindern, müsse man an ihre Änderung denken, erklärt Wohnbau-Stadtrat Hatzl.
(Wiener Zeitung, Oktober 1980)

Öko-Haus – Wohnbau auf Abwegen

Luxuriöses Hundertwasser-Projekt
Die Zehntausenden Schaulustigen, die sich am „Tag der offenen Tür“ im Rathaus um Friedensreich Hundertwassers „Öko-Haus“ drängten…
…– ob sie dem Hundertwasser-Modell so begeistert Beifall geklatscht hätten, hätten sie gewußt, was es kosten wird, seine Utopien in die Realität umzusetzen?
…So nimmt etwa die unregelmäßige Fensteranordnung, die der Maler propagiert keinerlei Rücksicht auf die dahinterliegenden Räume…
…Praktisch steht die Stadtverwaltung in diesem Fall vor der Entscheidung, Herrn Hundertwasser ein kostspieliges Denkmal zu setzen oder aber neue Wohnungen zu vertretbaren Preisen für Menschen aus sozial schwächeren Schichten zu schaffen…
(Bezirksjournal, Nummer 10/1980)

Spinnerei

ÖKO-Haus – Spinnerei oder eine Alternative
…Dieses „Von-außen-nach-innen-Bauen“ stellt den Architekten, der mit dieser Aufgabe betraut wurde, die durch keinerlei architektonische Rücksichtnahme gebremsten Vorstellungen Hundertwassers in realisierbaren Bauplänen zu konkretisieren, vor nicht leicht lösbare Probleme…
(Bezirksjournal Landstraße, Nr. 11/1980)

Farben in Klo-Besen-Malweise

…Terrassenhäuser in dicht verbauten Vierteln mit hohem Bodenpreis sind reine Verschwendung…
…Bäume, sind hier völlig falsch am Platz: Sie erfordern tiefe und schwere Erdtröge, die – bei der heute üblichen schlampigen Bauweise unerläßliche – Reparaturen maßlos verteuern!…
…Aufgerissene Fassaden und offene Feuermauern sind häßlich – auch wenn sie mit schreienden Farben in Klobesenmalweise „verziert“ werden!…
…Verspielte Türmchen und Kinkerlitzchen, die nur historisch bedingt und im Ensemble vertretbar sind, sollten doch überholt sein…
…Wahllos ungleiche Fenster sind unruhig und stören architektonisch. Sie sind im Zeitalter der „Normfenster“ auch kaum mehr beschaffbar!…
…Straßen sind nicht zum Spielen da, sondern zur verkehrsmäßigen Bedienung des Hauses…
…Herr Hundertwasser hat für seine „Werke“ genügend Geld – auch aus öffentlichen Mitteln, ohne uns zu fragen – erhalten. Er mag sich so ein Haus meinetwegen im „Pfefferland“ bauen, wo er sich angeblich mit Vorliebe aufhält und unsere spärlichen Devisen vertut, nicht aber hier und aus unseren Steuermitteln!
Dipl.-Ing. Karl Kraft
(Bezirksjournal Landstraße, Nr. 12/1980)

Hundertwasser-Denkmal
Behübschende Kosmetik
– Spätgaudi

…Dieser (terrassierte Baukörper) hat gegenüber dem ersten Entwurf den Nachteil, daß nicht nur weniger Wohnungen untergebracht werden können (rund 50 gegenüber rund 75 bei der Blockvariante), sondern auch die Qualität der einzelnen Wohnungen unterschiedlich ist…
…Der rechte Winkel ist Hundertwasser ein Greuel, die Regelmäßigkeit von Fassaden ein Zivilisationsübel. Hundertwassersche Fassadenvorstellungen sind von unregelmäßigen Fensteranordnungen geprägt…
…ein Teil eines vordergründig dekorativen Denkens, sind sie – was er selbstverständlich nicht wahrhaben möchte – behübschende Kosmetik, Hundertwasserornamentik, pure Kunst, die mit dem, was sich dahinter befindet, nicht unbedingt in Zusammenhang stehen muß.
Daraus haben sich auch die Konflikte zwischen dem Architekten und dem Maler entwickelt. So möchte etwa Hundertwasser die Begrenzungsmauern der Terrassen wellenförmig ausgestaltet sehen, schlägt an verschiedenen Fassadendetails Abrundungen vor und möchte die Portalzone als große Bögen gestaltet wissen, obschon dazu konstruktiv keinerlei Notwendigkeit besteht. Außerdem schlägt er vor, Fassadenteile der Biedermeierhäuser, die abgebrochen werden sollen, spolienartig in die neue Fassade einzubeziehen, gleichsam als Erinnerungszitate an den früheren Zustand.
Zu letzterem Vorschlag könnte sich auch Krawina verstehen, nicht allerdings zu den anderen Hundertwasser-Wünschen, die ihm als historisierende Formalismen unerträglich sind. Solchen „Spät-Gaudi“ findet er unzeitgemäß, möchte er nicht produzieren. Auch mit den hundertwasserschen Fensteranordnungen, die ohne Rücksicht auf die dahinterliegenden Räume skizziert sind, kann er sich nicht identifizieren, abgesehen davon, daß die Fenster in verschiedenen Größen auch technische Probleme aufwerfen…
…Entweder Hundertwasser-Denkmal oder benützbarer Wohnbau mit vermehrter Ausstattung…
…Auch der Beitrag Hundertwassers im Fall unseres Projekts ist Kosmetik. Nur sind ihre Dimensionen größer als bisher und ist Hundertwassers Anspruch weniger bescheiden: Er gibt, was er vorschlägt, als Beitrag zur Architektur aus. Und wird auf alle Fälle Kapital aus der Sache schlagen. Entweder als Erbauer eines Wohnhauses…oder als Märtyrer, wenn die Sache schiefgeht…
Harald Sterk
(Wohnbau 9/80)

Cotoneaster führen ein trostloses Leben

…Natürlich wird dieser künstliche Baumberg nie so realisiert, weil Bäume auch in Wien mehr Humus benötigen, als hier auf den Terrassen geplant ist. Was maximal erreicht werden kann, die üblichen Cotoneaster-Nadelholz-Arrangements in Betonkübeln, die dort wie meistens, ein trostloses Leben führen werden…

(Baumeister Zeitung, April 1981)

Krokodil in der Badewanne

… Einen „Baummieter“ in der Innenstadtwohnung aus einem Fenster des fünften Stockwerkes wachsen zu lassen, liegt recht nahe an der Mentalität sich ein Krokodil in der Badewanne zu halten…
Pia Maria Plechl
(Die Presse, 18. 5. 1981)

Die Bio-Burg

Öko-Haus: Hundertwassers „Bio-Burg“ läßt auf sich warten…
… Die „Bio-Burg“ läuft Gefahr, zu einem ganz normalen Gemeindebau mit einer behübschten Fassade und ein paar Bäumen auf den Dachterrassen herabzusinken…
…Als Folge verläuft nun quer durch Fensteröffnungen die tragende Mauerkonstruktion, es gibt Räume ohne Belichtung – Konstruktionselemente, die unmöglich auszuführen sind…
Gerhard Krause
(Kurier, 14. 8. 1981)

Weder zukunftsweisend noch repräsentativ

Wozu zu bemerken wäre, daß das Hundertwasser-Haus weder zukunftsweisend noch repräsentativ ist, ein in der Herstellung und Erhaltung teures Prestigeunikat – abseits der Wohnbauförderung und ohne echte Relevanz für die aktuellen Wohnbaufragen.
(Die Presse, 2. 10. 1981)

Verwirklichung angedroht

Wien verpaßt eine „Öko-Chance“
…Friedensreich Hundertwassers Öko-Haus wird nicht gerade öko sein. Warum hat man es aber vorher so getauft?…
…Seine Idee eines Umwelthauses mit viel Grünpflanzen, sein Paradies in der Großstadt, ist wienerisch geworden…
…Wien hat ein Fast-Öko-Haus auf wienerisch. Oder zumindest wurde die Verwirklichung angedroht…
Watschenmann
(Kurier, 1. 10. 1980)

Kommunale Totgeburt

…Trotzdem werde ich den Gedanken nicht los, daß auch in Wien ein privatwirtschaftlich geplantes und durchdachtes Öko-Haus g’scheiter gewesen wäre als diese kommunale Totgeburt.
Watschenmann
(Kurier, 13. 11. 1982)

Hundertwasser-Antwort

An ein Öko-Haus oder eine „Bioburg“ war nie gedacht. Das kam dann irgendwo in der Presse auf, und wurde stereotyp immer wieder abgeschrieben. Es ist so wie wenn ein Läufer ständig als Schwimmer vorgestellt wird, obwohl der Läufer ständig protestiert, er wäre doch ein Läufer und kein Schwimmer. Am Ende ist alle Welt auf den Läufer böse, weil er gar nicht schwimmen, sondern, laufen will!
Hundertwasser in seiner Antwort an Gerhard Schneider (Watschenmann)
(Kurier, 13. 11. 1982)

Positiv überrascht

Aber was soll’s? Unökonomisch ist in Wien schon sehr viel gebaut worden, unökologisch sowieso, und über den Geschmack läßt sich immer streiten…
…Hundertwasser’s Öko-Haus wird daher nur positiv überraschen können…
Anton Bina
(Kurier, 17. 8. 1983)

Die hängenden Kommunalgärten

Die hängenden Kommunalgärten des Friedensreich Hundertwasser samt Durchsetzung des „Fensterrechts“ und der „unreglementierten Unregelmäßigkeiten“ (so der Meister) erfordern freilich ihren Preis.
(Die Presse, 6./7. 3. 1982)

Schrumpfprojekt

Ein teures architektonisches „Schrumpfprojekt“, an dem nur die „potemkinsche Fassade“ Hundertwassers blieb und sonst nichts dahinter…ärgert sich Krawina.
Erwin Melchart
(Kronen-Zeitung, 10. Jänner 1983)

Inhumane, üble Architektur

Seit einer Woche träume ich, ein Baum zu sein. Es ist kein schöner harmonischer Traum…
…Ich bin etwas ganz Besonderes: ein Hundertwasser-Baum. Als solcher behübsche ich in der selbst für Menschen nicht sonderlich behaglichen, für Bäume schlichtweg alptraumhaften Höhe des neunten Stockwerks das Öko-Haus des Meisters in der Löwengasse, Ecke Kegelgasse im 3. Gemeindebezirk…
…Hundertwassers Öko-Gemeindebau wird nämlich keinesfalls der vergleichsweise harmlose Fall einer naiv-albernen Fassaden- und Bluff-Architektur wie in jüngsten Baukunst-Tendenzen bedauerlicherweise überhandnimmt. Was im Projekt- und Modellstadium unter Umständen so milde beurteilt hätte werden können, entpuppt sich angesichts der nackten Rohbautatsachen als programmierter städtebaulicher Skandal.
Jene Schrebergarten-Architektur, als deren erklärter Befürworter sich Friedensreich Hundertwasser sattsam bekannt gemacht hat, auch sie lebt von der ihr gemäßen Dimension. Verzerrt man sie ins Gigantische, und eine Hochhauskonstruktion auf stellenweise zehn Etagen innerhalb einer eigenen Ensemble- und Kreuzungssituation ist dies, dann schwindelt selbst dem standfesten Gartenzwerg angesichts so grotesker Unverhältnismäßigkeit, mit anderen Worten, angesichts einer so inhumanen, üblen Architektur.
…In meinem Traum als Baum auf einem Mauervorsprung im neunten Stockwerk gibt es eine Stelle, da stehen jene sowjetischen Wissenschaftler um mich herum, die mittels sensibler Apparate mit Pflanzen kommunizieren können sollen: Ich flüstere ihnen meine Klage von der Baumquälerei zu und fordere, in den Prater versetzt zu werden…
…Beim nächstbesten Sturm ließ ich mich aus dem neunten Stock in die Löwengasse fallen. Zum erstenmal fühlte ich mit meinem „Architekten“ so etwas wie Übereinstimmung: Mir waren die Menschen da unten gleichgültig…
Franz Manola
(Die Presse, 11./12. 8. 1984)

Das Hundertwasser-Haus ist eine Fehlplanung

Das Luftschloß
…Hundertwassers Öko-Haus gilt als neues Renommierprojekt der Gemeinde Wien. Unterscheidet es sich überhaupt von jedem anderen Hochhaus? Es ist zwar vorgesehen, das Dach des Hauses zu begrünen, aber es bleibt abzuwarten, wie sehr es den Bäumen gelingen wird, in den ganz und gar nicht ökologischen Stahlbetondecken Wurzeln zu schlagen. Ihnen wird es wohl nicht anders als jenem Alibibäumchen ergehen, das der Maler Hundertwasser an einem Fenster eines grauen Bürohauses gepflanzt hat und das nur mit Hilfe intensiver Bewässerung am Leben erhalten werden kann…
…Der Innenarchitektur unter den Stahlbetondecken ist ebenfalls kein besseres Urteil auszustellen als den krampfhaften Begrünungsaktionen…
…Kleine, zum Teil finstere Räume können wohl nicht als der Architekturutopie letzter Schluß gelten…
…Das Wiener Hundertwasser-Haus ist die neueste Manifestation einer „Kulturpolitik“, die seit Jahren und Jahrzehnten diese Stadt mit immer neuen Banalitäten und Monstrositäten verschandelt und als Alibi dann und wann „künstlerische“ Farbtupfer in ihr Grau-in-Grau-Stadtbild setzt…
Franz Manola und Alfred Hütter
(WIENER, September 1984)

Städtebaulicher Slapstick
Chnusperfassaden

Hundertwasser ist ein liebenswerter „Phantast“, nicht immer ganz ernst zu nehmen…
Frank Geiser, Architekt, Bern

…Städtebaulicher Slapstick, Chnusperfassaden und reichlich Publizität für Friedensreich entstehen, wo vorher gute Altbauten wirklich Freiräume gewährten…
Martin Zulauf, Architekt, Bern

Ich beneide eine Gesellschaft und Stadtbehörde, die genügend Toleranz hat, ein solches Experiment zu ermöglichen und in ihre Umwelt zu integrieren..
Hans Hostettler, Architekt und Planer, Bern
(Alle in: Der Bund, Bern 18. 8. 1984)

Überkandidelt.
Vorbeihasten und kaum wahrnehmbar

Seit wann bringt Beton grün in die Häuser?
…Der Wohnbau im 3. Bezirk wurde vom Inhalt her abgeräumt und von der Form her immer überkandidelter. Daß es kaum zwei gleiche Fenster gibt, mag eine gute Philosophie sein, hat aber mit Wohnqualität nichts zu tun.…
…„die Priorität müßte der haben, der in diesem Haus wohnt, und nicht der, der daran vorbeihastet und die Fassade kaum wahrnimmt.“…
…Hundertwassers Dekoration und „grüne Mascherln“…
…“Der Bau in seiner jetzigen Form ist eine Art potemkinsches Dorf“…
(Architektur Aktuell, 15. Oktober 1984)

Sozusagen das achte Weltwunder
Bio-Burg Marke Potemkin

Hundertwasser ging unter die Architekten. Angesagt ist eine Architektursensation, sozusagen das achte Weltwunder…
…Dem ungewöhnlichen Projekt entsprach die ungewöhnliche Aufregung in den Zeitungen. „Der traut sich was“, staunt sogar die vornehm zurückhaltende PRESSE…
…Ein „pittoreskes italienisches Bergnest“ mitten in der dicht verbauten österreichischen Hauptstadt. Weit überzeugender als das exzentrische Äußere des Hundertwasser-Kitschpalastes…
…Als Möchtegern-Architekt hingegen blieb Hundertwasser über zwei Jahrzehnte erfolglos…
…Erst Ende 1979 erhielt er seine große Chance: Die auch ihrerseits profilierungssüchtige Wiener Administration orderte bei ihrem berühmten Sohn den Entwurf eines rundum biologischen Wohnblocks…
…Die Wiener Steuerzahler konnten sich also mit Recht als Pioniere fühlen. Zwiebeltürmchen hin oder her, jedenfalls versprach ihr Öko-Haus eine Pilgerstätte der umweltfreundlichen Architektur zu werden, vorbildlich für die Postmoderne in aller Welt. Aber leider, wie so viele Revolutionen wurde auch die Hundertwassersche nach lauten Ankündigungen in aller Stille zu Grabe getragen.
…Josef Krawina will mit solch einer Bioburg Marke Potemkin konsequenterweise nichts mehr zu tun haben. Er sieht statt echter Ökologie bloß schiefe Wände, statt neuer Lebensqualität bloß auf- und abtanzende Fenster…
…Welcher Maler im weiten Erdenrund hat sich jemals ein derart großes und teures Denkmal erbasteln dürfen?
Inge Santner
(Die Weltwoche, Zürich, Nr. 44/1. 11. 1984)

Kitsch-Kathedrale
(Lied und Glockenläuten)

Ihr Kinderlein kommet von nah und fern
brecht eure Sparschwein
so hab ich es gern.
Diese Woche ist es so weit, das Hundertwasser-Haus bekommt jene Zwiebeldächer, die es verdient. Die Krönung eines ursprünglich ökologisch ausgerichteten Baus zur Kitsch-Kathedrale.
Ein weiterer Versuch der Gemeinde Wien im sozialen Wohnbau einen Meilenstein zu setzen.
Der museale Charakter der Fassade prägt diese Architektur, sie wird zur wahrhaft dreidimensionalen Malerei, eine Malerei, die eigentlich Verpackung ist…
…Hundertwasser will mit diesem Schmäh, wie er selbst sagt, die Bewohner dazu ermutigen, später auch in ihren Wohnungen Farbunregelmäßigkeiten und neue Formen einziehen zu lassen…

Frage: Wie ist die Zusammenarbeit mit Hundertwasser?
Maurer: Die Zusammenarbeit ist sehr gut mit Herrn Hundertwasser, da gibt es überhaupt nichts zu sagen. Er ist ein guter Kollege sozusagen.
Frage: Ist es nicht so das Gefühl, da kommt der große Künstler und sagt an, und wir müssen tun, was er ansagt?
Maurer: Auf keinen Fall, er kommt in der Früh und sagt: Die und die Farbe sollen wir machen beim Feinputz und er fragt uns auch wie es uns geht und so.
Frage: Er ist, so wie ich’s gehört habe dauernd auf der Baustelle, geht euch das nicht auf die Nerven?
Maurer: Er ist für uns eine praktische Führung, der Fassaden-Polier sozusagen.

Am Bau arbeitet vornehmlich der Maler Hundertwasser. Trotz begrünter Dachterrassen, Wintergärten und Verwendung biologisch gesunder Baustoffe, vermißt man ökologisches Engagement am Bau.
Das zeigt der Künstler umso deutlicher in der Hainburger Au.
Was jedoch das Haus betrifft: Es ist eben nicht alles grün, was glänzt.
Gerhard Hofer in der Fernseh-Nachrichtensendung ORF – ZiB 1, 22. 12. 1984

Gemeindebau: Eine bewohnbare Grafik
Wiens neue Attraktion

…Das Interesse für das Hundertwasser-Haus ist ein Architekturerfolg sondergleichen…so wie hier haben Sie neue Architektur noch nie erlebt…Es kann Vorbild sein, weil es eine Provokation ist, ein Unikat. Es ist keine Architektur, es ist eine Aufforderung zum Nachdenken über Architektur. Diesbezüglich ist es eines der wichtigsten Experimente in der Geschichte des humanen Wohnbaus, eine Schatztruhe von sonderbaren, aber nützlichen Gedanken…
Jan Tabor
(Kurier, 16. 6. 1985)

Wohnen im Pflanz
Kitsch oder Kunst
Unding oder Utopie?

Zwiebeltürmchen, unregelmäßig angeordnete Fenster, unebene Böden, begrünte Terrassen und eine bewußt holprig gestaltete Außenhaut mit grobem Verputz, keramischen Fliesen, Spiegeln und Säulchen täuschen freilich darüber hinweg, daß die weiche Öko-Schale einen harten Stahlbetonkern hat, daß die konsequente Verwendung nur „natürlicher“ Baustoffe wie Holz und Ziegel ebenso unterblieb wie der Einbau ökologischer Systeme für Energiegewinnung und Abwasserbeseitigung, von der Solarzelle bis zum Humusklo.
Kurzum: Wiens erstes „Öko-Haus“ ist trotz üppig geplanter Zimmer- und Terrassenbegrünung überhaupt kein Öko-Haus. Wohnen im Pflanz…
…“Gewisse Dinge haben die Architekten heute doch wirklich verlernt“, sinniert Heinz Hübl von der Wiener Ingenieurkammer: „Ich mag zwar nicht diesen Stil, diese Blut-und-Boden-Architektur des Hauses, andererseits kann man hier gut sehen, wie das Unbehagen über Technokratie und neue Baustoffe da ins Gegenteil umkippt und bis ins Sektiererische geht.“…
…von der alten Hundertwasser-Utopie…blieben mehr die Ornamente als die Inhalte übrig…
Klaus Khittl
(Wochenpresse, 14. 5. 1985)

Zwiebelturm statt Humusklo

Das Hundertwasser-Haus offenbart das Dilemma des Wiener Wohnbaus. Privilegierte kuscheln sich unter Dachgärten, jenseits der Donau wachsen die Slums.
…Unter bunter Farbe versteckt sich Beton…Dekoratives fraß die Planungsmittel: Aufzugtechnik unter vergoldetem Zwiebelturm, ein schmiedeeisernes Balkönchen, ein schiefes Säulchen, rot, blau und grün…
…Prestigeprojekte, wie das Hundertwasser-Haus, weckten laut Seidler lediglich „das In-Bewußtsein von Bildungsprivilegierten“…
Horst Christoph
(Profil Nr. 25, 17. 6. 1985)

Schwerbetonbunker
Eine kanarische Insel für Kakanien

…Wird es wirklich so arg, fragen die Architekten…
In wenigen Monaten dürfte es fertiggestellt sein. Dann wird man sich…mit der gebauten und bewohnbaren Realität beschäftigen, den architektonischen Erfolg oder karnevalistischen Mißerfolg überprüfen und werten können…
…Man soll schon jetzt für das Schauen Eintritt verlangen. Das Haus wird gesehen als Beispiel des Absonderlichen und Pittoresken…
…Eine Palastfassade, vage angedeutet. Bei der Ansicht über Eck taucht im Hintergrund ein Turm auf, der einem schlecht gezeichneten Märchenbuch entsprungen sein dürfte…
…Das Haus will ein Märchenschloß sein…
…So ist das Hundertwasser-Haus auf Täuschung angelegt…
…Der Faradaysche Käfig eines Großtafelbaus ist reinster Wohnbeton gegenüber dem statisch bedingten Schwerbetonbunker dieses „Öko-Hauses“ mit seinen „Tonnen von Humus“ auf Terrassen, die auch schwer armierte Wohnungsdecken sind. Beton ist kalt und unmenschlich, sagt man gerne. Hier ist er rund und bunt und nennt sich ökologisch…
…da fällt das Hundertwasser-Haus auf die geschmäcklerische Ebene ungeschickter Praterarchitektur…
…Die Grottenbahn in der Löwengasse…Jedem Nest in Österreich sein Öko-Neuschwanstein, Eintritt zahlt man mit dem Calafati-Schilling – und die Gemeindekasse wird saniert…
Dietmar Steiner
(Die Presse, Juni 1985)

Wien mokiert sich über das Hundertwasser-Haus
Die Gartenzwerge fehlen

…Ob der Bau sich über Jahrzehnte halten wird, wie das Loos-Haus, wird die Zukunft zeigen. Natürlich werden die fröhlichen Farben der Fassade bald vom Großstadtgrau gedämpft werden. Aber interessant wird das spinnige Haus immer bleiben – als einer der wenigen Versuche, auch in Wiens Architektur etwas Eigenständiges zu schaffen…
Erik G. Wickenburg
(Die Welt, 10. 7. 1985)

Ein Traum von einem Haus

Von weitem wirkt das Ding wie eine Fata Morgana. Und aus der Nähe erst recht…
…Mitten im sonst eher grauen Meer der Häuser des 3. Bezirks hat hier der Farbenkünstler Hundertwasser einen revolutionären Sozialwohnungsbau errichtet, eine acht Stockwerke hohe und mit Bäumen bewachsene Kriegserklärung gegen den tristen Einheitsstil moderner Behausungen…
Erklärtes Ziel des Künstlers war es, sein Haus in einer Art organisiertem Wachstumsprozeß in die Höhe bringen und dabei auch spontanen Einfällen eine Chance zu lassen. Die Bauarbeiter wurden angehalten, bei der Arbeit eigene Kreativität zu entwickeln…
…Das erste Echo auf Hundertwassers architektonische Revolution ist noch uneinheitlich…Von einheimischen Spaziergängern und auch Touristen, die es in wachsenden Scharen zu Wiens buntestem Neubau zieht, bekommt der mit seinem Hammer umherhuschende Hausbauer dagegen überwiegend Lob gespendet. Mitunter mischt sich in spontanes Händeklatschen allerdings ein scheußlich lautes Scheppern. Dann hat wieder einmal ein durch die Buntfassaden abgelenkter Autofahrer einen Auffahrunfall verursacht…
Winfried Maass
(Stern Nr. 32, 1. 8. 1985)

Konventionelle Betonburg unter kunterbuntem Kleid

…Fernab in Neuseeland…konnte Hundertwasser die städtischen Rotstift-Attacken im heimatlichen Wien jedoch kaum abwehren. Resultat: Gemeinschaftseinrichtungen, Schwimmbad und die Sauna wurden gestrichen, die kostspielige Ziegelbauweise auf ein optisches Minimum reduziert. Pro Quadratmeter Wohnfläche müssen die künftigen Mieter rund sieben Mark zahlen. Für Wiener Gemeindebau-Verhältnisse ist das nicht eben billig, zumal das Haus in einer wenig attraktiven Gegen liegt. Die wird jetzt zwar durch das bunte Gebäude aufgewertet, doch als Modell einer neuen, umweltbewußten Architektur taugt die Anlage nicht. Hundertwassers Bekenntnis, „ich bin stolz, daß ich ein Behübscher bin“, kehrt sich nun gegen ihn.
Karlheinz Schmid
(art Nr. 8/1985)

Qualität noch Wohnwert

(Das Festspielhaus Bregenz) umzugestalten wäre für mich eine lächerliche Aktion. Für mich ist Hundertwasser überhaupt keine Frage…Das Hundertwasser-Haus in Wien hat für mich keine Qualität, weder vom Wohnwert, noch von der Architektur. Das war der Versuch eines Künstlers, seine Illusionen unterzubringen, der aber kläglich gescheitert ist. Er hat an den Wohnbedürfnissen der Menschen vorbeigebaut.
Arch. Anton Fink
(WANN UND WO, Bregenz, August 1985)

Aus dem Buch des Gartenzwergs

Naturapostel Hundertwassers Trainingsplatz bildet seit Wochen die Baustelle seines langsam auch im Inneren fertiggestellten Wohnbauexperiments…
Was von außen her noch zum Schmunzeln anregt und in seinen Verrücktheiten immer wieder an jene „naiven“ Künstler denken läßt, die sich in Gärten oder sonst wo schon immer Phantasieburgen errichtet haben…anarchischer Bauakt…Zitate aus dem Musterbuch des Gartenzwergs…Vielleicht muß man in ihm auf die Dauer gar nicht wohnen, wandelt man es einmal in eine Art Museum um, in dem all das Groteske, an dem es in Österreich nicht mangelt, eine Art Dokumentation finden kann und Neugierige aus aller Welt anzieht…noch ist offiziell kein Mieter bekannt, der sich dem ständigen Leben mit Hundertwasser ausliefern möchte…Und überhaupt muß das Haus ja erst Patina ansetzen (verschimmeln?). Als Ruine in fünfzig Jahren mag es an Anziehungskraft gewonnen haben.
Kristian Sotriffer
(Presse, 12. 8. 1985)

Naturpredigt mit Beton

…Widersprüche zwischen dem propagierten Ideal und der steingewordenen Realität…damit (werden) die Probleme des sozialen Wohnbaus nicht einmal ansatzweise gelöst…halb Schauerburg, halb Gartenlaube…
Weshalb freilich der Boden in den schmalen Gängen gewellt gepflastert sein muß, entzieht sich der Einsicht des Laien, während der Fachmann wahrscheinlich mühelos über den tieferen Lebenszusammenhang solcher Nötigung zur Seekrankheit Auskunft geben könnte.
Wichtiger als dergleichen Unbequemlichkeitspointen scheint indes die weitgehend zweigeschossige, durch die Farbgebung nach außen hin sichtbare Anlage der Wohnungen: Wer über die Holztreppen einer Maisonette nach oben und unten steigt, vermutet sich eher in einem kleinen Eigenheim als in einen Wohnsilo eingesperrt…
…Statt sich ernst nehmender Postmoderne verspieltester Posthistorismus…
Ulrich Weinzierl
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. 8. 1985)

Kategorie(n): Rezeption

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