Badezimmer

Badezimmer im Hundertwasser-Haus. Foto: Peter Dressler

Wenn der Mensch zivilisationsmüde und rationalitätsverdrossen sich in seinem Badezimmer nackt auszieht, will er auch das latente tägliche Unbehagen der Geraden und des rechten Winkels vergessen.

Er kann aber nicht, denn er ist schon wieder umgeben von einer peinlich genauen Replik des Rastersystems: soldatisierte Kacheln haargenau nebeneinander, haargenau untereinander.

Die zweite Haut, die Kleidung, hat er zwar ausgezogen, die dritte Haut, in diesem Fall die stereotypen Badezimmerkacheln, kann er nicht ausziehen. Das Rastersystem der Kacheln, das ihn umgibt, hindert ihn am Nacktsein, hindert ihn, zu sich selbst zu finden. Deswegen ist die unregelmäßige Kachelverlegung so wichtig.

Das unregelmäßige Verlegen der Kacheln geht rascher und müheloser vor sich, denn der Kachelleger braucht nicht ständig mit der Wasserwaage, gespannten Schnüren, Lot und Zündhölzern die Kacheln ins Rastersystem zu zwingen, mit der panischen Angst im Nacken, gerügt zu werden, vielleicht sogar seinen Job zu verlieren, wenn ein Norm-Prüfer entdeckt, daß eine Kachel um einen Millimeter verrückt aus der Reihe tanzt.

Badezimmer im Hundertwasser-Haus. Foto: Peter Dressler


Jedes Bad hat drei zerschlagene Fliesen, um interessante Muster zu erzielen, wobei die Bruchstücke nochmals glasiert wurden, so daß man sich nicht an den Kanten verletzt. Dazu drei oder mehr bunte Kacheln und eine Dekorfliese. Die Kacheln sind alle drei bis fünf Reihen versetzt, so daß sie nicht alle übereinanderliegen. Dadurch, daß man zwischen waagrechten Kachelreihen in der Mitte immer rund 7 mm Abstand einschiebt, bauen sich ganze Kachelwellen und Kachelberge nach oben hin auf, ohne daß man eine Kachel beschneiden muß.

Die Wände und Böden der Badezimmer, der Toiletten und der Küchen sind ähnlich unregelmäßig verkachelt.

Alle Badezimmer, aber auch die Toiletten, haben Klarsicht-Glasziegel zur Beleuchtung, damit man hinaus oder hineinschauen kann.

Der Mieter hat also drei Optionen:

  1. die Glasziegel so zu belassen, wie sie sind
  2. mit lichtdurchscheinenden Milchfolien oder Vorhängen zu bedecken, daß man nicht hineinsehen kann,
  3. die Glasziegel zuzumauern oder Kasten vorzustellen.

Die drei Optionen sind also besser als zwei Optionen (gerippte Glasbausteine, die nur Licht durchlassen) oder gar keine Option (gar keine Glasbausteine).

Badezimmer im Hundertwasser-Haus. Foto: Peter Dressler


Hundertwasser, 1985

Kategorie(n): Hundertwasser zum Haus

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